Siegerprojekte 2011 Preisträger 2011 der Kategorie 2 / Gewaltprävention & Aufklärung über Gewalt
Unabhängiges Kinderschutzzentrum Wien

„Mädchen.Theater.Gruppe“

Die Teilnehmerinnen der „Mädchen.Theater.Gruppe“ sind zwischen 14 und 16 Jahren, die in Wien leben und durch aggressives und dissoziales Verhalten aufgefallen sind und von MitarbeiterInnen des Amtes für Jugend und Familie, Wohngemeinschaften, Krisenzentren, Schulen, anderen Beratungsstellen, Frauenhäusern, Jugendgerichtshilfe, RichterInnen und BewährungshelferInnen in die Theatergruppe entsendet werden. An der Seite von Schauspielschülerinnen lernen die betroffenen Mädchen mittels Rollenspiel und Perspektivenübernahme Empathie und Einfühlungsvermögen in die Gefühle anderer Menschen.

Aggressive Kinder haben immer große Probleme, sich in die Lage ihrer Opfer einzufühlen, die Konsequenzen ihres Handelns einzuschätzen und ihre inneren Impulse zu kontrollieren. Was für andere Kinder selbstverständlich ist (Liebe, Verständnis, Einfühlung), haben diese Kinder zu Hause nie gelernt – im Gegenteil, meist sind sie selbst geprügelt und gedemütigt worden. Ihre emphatischen Fähigkeiten und ihr Einfühlungsvermögens sind stark beeinträchtigt. Im Gegensatz zu Burschen gibt es bei Mädchen jedoch Hinweise darauf, dass es sich um ein vorübergehendes Pubertätsphänomen handelt und es nicht zwangsläufig zu einer Fortsetzung dieses Verhaltens im Erwachsenalter kommt (vgl. Petermann, 2008). Umso wichtiger ist rechtzeitige Hilfe.

Theater eignet sich hervorragend, den Mädchen fehlende emotionale Dimensionen erschließen. Theater zu spielen ist ein gruppendynamischer Prozess. Das Rollenspiel zwingt zur Perspektivenübernahme und einer gewissen Empathie, was wiederum die Aggressionsbereitschaft verringert. Damit die „Mädchen.Theater.Gruppe“ funktioniert, müssen die Mitspielerinnen Regeln einhalten und im Rahmen ihrer Rolle Gefühle ausdrücken. Die Lust am Spiel, am Experiment und daran, sich darzustellen stärkt ihr Selbstbewusstsein, eröffnet neue Lebenserfahrungen und erweitert ihren Handlungsspielraum. Konstruktives Feedback lehrt sie, sich Kritik zu stellen.

Die Kandidatinnen für das Projekt „Mädchen.Theater.Gruppe“ werden vom Amt für Jugend und Familie geschickt, sie kommen aus einschlägigen Wohngemeinschaftseinrichtungen, aus Krisenzentren, Schulen, Beratungsstellen, Frauenhäusern, der Jugendgerichtshilfe, und sie werden von RichterInnen und BewährungshelferInnen entsendet. Das Besondere an der „Mädchen.Theater.Gruppe“ ist, dass die Mädchen mit Studentinnen der Theaterwissenschaft spielen. Jedes Mädchen hat ein „Gegenüber“, das wesentlich mehr Erfahrung im Theaterspiel hat. Aber nicht nur das: Die Studentinnen sind auch Ansprechpartnerinnen, Vorbilder, Rollenmodelle. Sie vermitteln direkt und indirekt, dass Gewaltfreiheit durch modellhaftes Lernen, durch Üben und Ausprobieren vermittelbar ist – und nicht durch Drill wie in einem Bootcamp.

Am Beginn der Teilnahme an der „Mädchen.Theater.Gruppe“ steht stets ein Einzelgespräch, in dem die Familien- und Schulsituation der Kandidatinnen und die Gründe ihres aggressiven Verhaltens besprochen werden. Danach werden die Hoffnungen und Ängste thematisiert, die die Mädchen gegenüber der „Mädchen.Theater.Gruppe“ haben. Die Theaterarbeit umfasst dann nonverbale Übungen, das Darstellen von Standbildern, das Erarbeiten kurzer Szenen nach Vorgabe, das Erproben eigener Szenen in Kleingruppen, gestellte Spielszenen, Streit- und Kampfszenen usw. Im Laufe der Proben zeigt sich deutlich, dass die Mädchen am meisten damit beschäftigt sind für sich abzuwägen, wie sie sich auf der Bühne alleine, zu zweit oder in der Gruppe verhalten und wie sie sich dabei fühlen. Als Abschluss gibt es dann eine öffentliche Aufführung im Festsaal des Amtshauses in Neubau, zu dem die Spielerinnen in Summe etwa fünfzig Familienangehörige und FreundInnen einladen können. Das Theaterstück, das auch auf Video festgehalten, zu einem kleinen Film verarbeitet und jeder Spielerin als Anerkennung und Erinnerung mitgegeben wird, ist stets ein großer Erfolg. Die Mädchen haben durchgehalten, sind zu Proben gekommen, haben einander besser kennengelernt, sich selbst mehr geöffnet und ein großes Stück verändert.